Perle der Weisheit

Jedesmal wenn wir eine andere Person verurteilen, begegnen wir dem Teil in uns, der es liebt, sich über andere zu erheben, um sich selbst besser zu fühlen. Viele Urteile kommen aus Fassungslosigkeit, Empörung und vor allem Unverständnis.

Vor drei Jahren hatte ich einen Konflikt mit einer mir nahestehenden Person. Ich war empört über ihr Verhalten und konnte nicht verstehen, wie sie sich so benehmen konnte. Meine damals 13-jährige Tochter, die sich mein Klagen anhörte, sagte dazu: „Wenn du sie nicht verstehst, kannst du doch auch nicht über sie urteilen!!“ Mit diesen Worten hat sie mir eine wunderschöne „Perle der Weisheit“ geschenkt.

Und wenn ich heute bemerke, dass ich wieder über jemanden urteilen will, dann erinnere ich mich an ihre Worte und frage mich: „Weiß ich wirklich genug über die Person, um über sie urteilen zu können? Werde ich jemals genug über sie wissen?“ Denn ich stecke nicht in ihrer Haut, ich habe nicht ihre Erfahrungen gemacht, ich fühle nicht wie sie fühlt. Wie kann ich mich also erdreisten, über sie zu urteilen!!

Mir ist außerdem bewusst geworden, dass mich jedes Urteil von der anderen Person trennt und ich mich von Frieden und Liebe weg bewege, statt mich mit diesen Qualitäten zu verbinden. Will ich also Frieden erleben, dann könnte ich damit anfangen, mein Urteilen loszulassen.

Das bedeutet nicht, dass ich gleichzeitig mein Unterscheidungsvermögen zwischen richtig und falsch, zwischen stimmig und unstimmig oder zwischen hilfreich und hemmend, aufgebe. Aber das Urteil über das falsche, unstimmige oder störende Verhalten ist wenig hilfreich. Es geht nicht darum, ein schlimmes Verhalten schön zu reden oder gut zu heißen, aber es geht sehr wohl darum, den Menschen, der dieses Verhalten an den Tag legt, nicht zu verurteilen.

Möge dir die folgende Übung helfen, mehr in Frieden mit dir selbst und den deinen zu sein.

ÜBUNG

Denke an eine Person, die dich empört, fassungslos macht oder für die du kein Verständnis hast.

Bemerke, wie es sich anfühlt, wenn du über sie urteilst. Spüre, was es mit dir macht. Welche Worte fallen dir dann ein? So etwas wie: „Wie kann man nur“? oder „Das geht ja gar nicht.“ oder „Wie doof / bescheuert / unsensibel etc. kann man eigentlich sein?“ oder …

Merkst du, wie das Urteilen kurzfristig deinen Selbstwert stärkt? Wie es dich über die andere Person erhebt? Wie du dich im Recht fühlst?
Merkst du aber auch, wie getrennt du dich dann von dieser Person fühlst? Wie allein? Wie enttäuscht? Wie traurig?

Frage dich nun selbst:
Kenne ich diese Person wirklich? Weiß ich, was in ihr vorgeht? Habe ich ihre Erfahrungen gemacht? Bin ich bereit zu fühlen, was sie fühlt? Bin ich bereit, mich in sie hineinzuversetzen?

Mache dir noch einmal die Perle der Weisheit bewusst:

„Wenn du den anderen nicht verstehst,

kannst du doch auch nicht über ihn urteilen!“

Verstehst du die Person, um die es geht? Wenn NEIN, dann macht es keinen Sinn über sie zu urteilen. Wenn JA, dann begib dich tiefer in das Verstehen hinein. Erlaube dir, dich auf die Person einzulassen und bemerke, dass dein Urteilen dadurch aufhört.

Erkenne also, dass sich durch Verständnis dein Urteilen auflöst und Frieden möglich wird.