Für diesen Newsletter wurde ich zu dem Buch „Septembertag“ von Luise Rinser geführt. Daraus soll ich folgende Passage zitieren:
„Ist es nicht so: einer steht an einer Wegkreuzung, einer Gabelung, wohin soll er gehen, rechts oder links, er wählt links; aber warum, warum? Vor tausend Jahren tat irgendeiner irgend etwas, und was er tat und wie er es tat, das war der Anfang einer neuen Reihe von Ursachen und Wirkungen, und das vorläufig letzte Glied dieser Reihe fügt sich jetzt, an dieser Weggabelung, zum tausendjahralt Vorgetanen, und die Wahl fällt auf links. Hätte sie ebensogut auf rechts fallen können?
Wenn ich mein eigenes Leben anschaue: was für ein dichtes buntes Gewebe; aber das Weberschiffchen meiner Entscheidungen konnte doch nur durch die längst vorgespannten Kettfäden sausen. Das Muster in Farbe und Zeichnung war vorgegeben, mir blieb, es gehorsam auszuführen oder aber die Fäden zu verwirren, zu zerreißen, zu beschmutzen. Dass ich im großen ganzen gehorchte, war das mein freier Entschluß, war es Vorbestimmung, Gnade?
Man sagt mir, dass, wäre ich nicht frei gewesen, meine Reue über das Versagen sinnlos wäre. Aber ich bereue ja mein Versagen gar nicht sehr, wie ich auch über meine Siege nicht Freudensprünge mache, beides ist selbstverständlich, da ich doch Mensch bin. Eigentlich ist es mir gleichgültig, ob ich mich für frei oder nicht frei halten soll; fühle ich doch, dass ich beides bin in geheimnisvoller Verzahnung, und ich weiß damit sicher die wirkliche Wahrheit, und solang ich’s bei diesem unbedachten Wissen belasse, ist alles klar.
Froh bin ich, dass ich nicht Theologe und nicht einmal Philosoph vom Fach bin und dass nichts in der Welt mich zwingen kann, das Verhältnis von menschlicher Freiheit und Bestimmung zu definieren, und wenn ich andre streiten höre um jenes von Freiheit und Gnade, dann liegt mir’s auf der Zunge, laut zu sagen: Seid ihr aber dumm; wißt ihr denn nicht, dass Freiheit Gnade ist, dass ihr Gnade braucht, um Freiheit als Freiheit zu erkennen, dass Gnade frei macht, dass man Gnade nur in Freiheit annehmen kann, und dass ihr beides verliert, wenn ihr es getrennt zu denken wagt.
Und was für ein langweiliger Gott wäre das, der ein Wesen, Mensch genannt, hätte schaffen mögen, das er gängeln könnte wie einen blinden lahmenden Karrengaul, dem er das Maul in den Futtersack stoßen müßte, weil er von sich aus nicht fräße. Als ob der Herr, allmächtig wie er ist, nicht auch mächtig genug wäre, sich vorzubehalten, überrascht werden zu wollen von unseren Rösselsprüngen und unserm plötzlichen Durchgehen oder unsrer ganz unvermuteten Lammfrommheit.
Ich für mein Teil, frei oder nicht, habe meine Unfreiheit zu meiner Freiheit, meine Freiheit zur Unfreiheit gemacht; großmütig und leichtsinnig überlasse ich mich einer Führung, die ihrerseits großmütig und leichtsinnig genug ist, mich an sehr langer Leine zu halten, so dass der Platz, den ich im Umkreis meines unsichtbaren Pflocks abgrasen kann, beträchtlich ist, und wenn ich ein oder das andere Mal ausbrechen möchte und plötzlich, ganz weit draußen, spüre, wie der Strick sich strafft und mich ins Bein schneidet, dann bleibt mir die schönste aller Freiheiten: stolz liebend zu gehorchen.“
Luise Rinser hat diesen Text 1964 geschrieben, doch ich empfinde ihn für die momentane herausfordernde Zeit extrem passend. Besonders berührt mich bei dem Text ihr Bild des angeleinten unfreien Menschen, dem Gott den optimalen Spielraum gewährt und den er an den richtigen Weg erinnert, indem er ihn Schmerz spüren lässt. Wie frei bin ich also wirklich?
Die Gnade Gottes hat mir die Möglichkeit des freien Willens geschenkt, damit ich mich für das Göttliche und Lichtvolle entscheiden kann. Es ist meine freie Wahl, mich einem höheren Plan zu fügen. Wenn ich mir dieses Einfügen vorstelle, dann macht mich das – trotz oder gerade wegen der Unfreiheit – frei. Ein tiefes Gefühl von innerer Freiheit und gleichzeitiger liebevoller Führung.
Möge Dir die Meditation helfen, Dich in eine tiefe Empfangsbereitschaft und Führung zu begeben, damit Du nicht unfrei wirst durch Ängste oder das Gefühl des Getrennt-Seins.
Mir hat diese Meditation in der momentanen Zeit sehr geholfen. Gönne Dir diese 19 Minuten !!